Kinder, Jugendliche und Familie im Kibbuz

Sozialistische Utopie und Realität

von Harald Schrapers

Mikrosozialistisches Experiment in kapitalitischer Umwelt

Das einzige sozialistische Experiment, das mehrere Generationen überdauerte und noch heute existiert, ist der israelische Kibbuz. Das andere sozialistische Experiment, das ungefähr zur gleichen Zeit begründet wurde, ist die russische Oktoberrevolution. Die hat sich inzwischen von der historischen Bühne verabschiedet. Zudem widersprach sie von vornherein wesentlichen Werten der Freiheitsideologie Sozialismus.

Im Unterschied zur Oktoberrevolution beschränkt sich das Kibbuzexperiment auf einen Mikrosozialismus, die Kibbuzim sind bis heute kleine Inseln in einer kapitalistischen Umwelt. Ihr herausragendes Merkmal, so der jüdische Philosoph Martin Buber, sei das „vorbildliche Nicht-Scheitern“.

Die Kibbuzim sind bis heute eine radikale gesellschaftliche Alternative zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. In der aktuellen deutschen Sozialismusdebatte spielten sie jedoch – ganz im Unterschied zum Irrweg der Oktoberrevolution – kaum eine Rolle. Erst im Zuge des Aufkommens des Ökosozialismuskonzepts wird die Kibbuzidee vereinzelt aufgegriffen.

Der erste Kibbuz wurde bereits 1909 gegründet. Inzwischen gibt es 270 Kibbuzim mit etwa 126.000 EinwohnerInnen, das entspricht mehr als 3 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels. Der Kibbuz ist damit ein Minderheitenphänomen. Freiwilligkeit ist eines der wichtigsten Prinzipien der Kibbuzim, die auf einer freiheitlich-sozialistischen, „anarchokommunistischen“ (A. Souchy) ideologischen Grundlage beruhen. Zwei Drittel der Kibbuzim sind in der der sozialdemokratischen Arbeitspartei nahestehenden Vereinigten Kibbuzbewegung Takam zusammengeschlossen, ein Drittel gehört dem Arzi-Verband (Ha'kibbuz Ha'arzi) der linkssozialistischen Vereinigten Arbeiterpartei Mapam an. Hinzu kommen etwa 20 religiöse Kibbuzim.

Die sozialistischen Prinzipien der Kibbuzim können folgendermaßen zusammengefaßt werden:

Kibbuzim sind noch heute stark von der Landwirtschaft geprägt, sie erzeugen etwa 40 Prozent der landwirtschaftlichen Produkte Israels. Die wirtschaftliche Existenz wird jedoch zunehmend von Gewerbe und Kleinindustrie gesichert, die für gut die Hälfte der Einkünfte sorgen. In 380 Fabriken erzeugen die Kibbuzim knapp 8 Prozent der Industrieproduktion Israels. Die Produktivität und der Lebensstandard im Kibbuz liegen deutlich über dem israelischen Durchschnitt.

Die israelischen Kibbuzim befinden sich seit Mitte der 80er Jahre in einer massiven Verschuldungskrise, von der aufgrund des solidarischen Finanzausgleichs durch die Dachverbände alle betroffen sind. Diese ökonomische Krise ist jedoch nur zu einem kleinem Teil hausgemacht, sie geht mit einer allgemeinen Krise der desolaten israelischen Wirtschaft einher.

Ein Kibbuz hat durchschnittlich weniger als 500 EinwohnerInnen, von denen jeweils nur etwa die Hälfte Mitglieder des Kibbuz sind. Nur zeitweilig im Kibbuz Lebende, Volunteers aus dem Ausland, Leute in der Probezeit für eine Mitgliedschaft und nicht zuletzt viele Kinder und Jugendliche machen den anderen Teil der Kibbuz-BewohnerInnen aus.

Kinder und Jugendliche im Kibbuz

Am Anfang der Geschichte der Kibbuzbewegung gab es keine Kinder. Damals hieß der Kibbuz Kvuzot, und es war nicht ausgemacht, ob die Gruppen auf Dauer Siedlungen bilden wollten. Zunächst ging es darum, Land unter äußerst schlechten Bedingungen kultivierbar zu machen.

Die Gruppen hatten rigorose sozialistische Ansprüche, es sollte ein neuer Mensch geschaffen werden. Die „Überwindung der patriarchalen Kleinfamilie“ (M. Fölling-Albers) war ein wesentliches sozialpolitisches Ziel. Einzelne Gruppen gingen so weit, daß sie Paarbildungen über länger Zeit mißbilligten, da die das Gruppenleben stören würden. „Kinder galten zuweilen als der symbolische Beginn eines Prozesses der Verbürgerlichung und Privatisierung.“ (L. Liegle)

Die körperliche und produktive Arbeit, verstanden als Eigenarbeit, nahm unter dem Motto der Eroberung der Arbeit einen zentralen ideologischen Stellenwert in den Kibbuzim ein. Dies „führte implizit gleichzeitig zur Abwertung der reproduktiven, auch der erzieherischen Arbeit“. (Ch. Busch-Lüty) Dies ergab erhebliche Probleme, als die ersten Kinder in den Kibbuzim geboren wurden.

Die Kibbuzim reagierten darauf mit einer weitgehenden Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeiten. Gleichzeitig mit den Haushaltstätigkeiten (Küche, Wäscherei) wurde die Kindererziehung kollektiviert.

Bekannt wurde das Modell der Kibbuzerziehung durch die kollektive Übernachtung der Kinder. Bei deren Etablierung spielten pragmatische Überlegungen eine wesentliche Rolle. Schlicht aus Platzgründen mußten die Kinder in gemeinsamen Schlafräumen untergebracht werden. Auch später war es für den Kibbuz wesentlich günstiger, keine Wohnungen für die Familien unterschiedlichster Größe bauen zu müssen, sondern sich mit Ein- oder Zwei-Personen-Wohnungen begnügen zu können. Hinzu kam daß Argument, die Kinder im Krieg oder bei Überfällen in den Kinderhäusern besser schützen zu können.

Positive Erfahrungen mit der gemeinsamen Übernachtung führten dann zu dem inhaltlich motivierten Wunsch nach einer kollektiven Kindererziehung. Zunächst wäre die Befreiung der Frau von der privaten Mutterrolle notwendig gewesen, denn zumindest die formal notwendigen Voraussetzungen für die Gleichstellung der Frau mußten erfüllt sein.

Menschen für ein Leben in einer kollektiven Siedlung müssen auch kollektiv aufwachsen, so die damalige Vorstellung. Die Chance der Schaffung des neuen Menschen konnte nicht in die private Verantwortung gelegt werden.

Die Lebensphasen der Kibbuzkinder und –jugendlichen heute

Von der Geburt bis zu 18. Lebensjahr wird ein Kind bzw. ein/e Jugendliche/r in das kollektive Erziehungssystem des Kibbuz integriert. Schon im Säuglingsalter werden die Kinder in ein Kinderhaus gegeben, in dem eine Metapelet (Erzieherin) für jeweils etwa vier bis sechs Kinder verantwortlich ist.

Im Kindergartenalter wird aus mehreren Kleingruppen eine Kindergartengruppe zusammengefaßt, die dann zusätzlich von einer KindergärtnerIn betreut wird. Im ersten oder zweiten Schuljahr zieht die Gruppe in ein anderes Haus um, welches nicht mehr nur den Bedürfnissen nach Spielen, Schlafen, Essen gerecht wird, sondern gleichzeitig als Grundschule dient.

Bis zum 18. Lebensjahr, dem Abschluß der 12. Schulklasse, wird die Gruppe jeweils von einer Metapelet und einer LehrerIn betreut. Ab etwa dem zehnten Lebensjahr sind die Kinder für die Freizeitgestaltung allerdings weitgehend selbst verantwortlich. Die Organisation liegt dann in den Händen der Jugendbewegung (im Takam-Verband ist die ein Teil der israelischen Gewerkschaftsjugend), der alle Kinder angehören.

Ab dem siebten Schuljahr erfolgt der Wechsel in die Sekundarstufe. Die Jugendlichen haben dann zumeist ein eigenes Zimmer oder eine kleine Wohnung.

Die Sekundarstufenschule ist in den einzelnen Kibbuzim unterschiedlich organisiert. Im Takam-Verband dominieren zwei Modelle: Entweder die Schule ist im Kibbuz gelegen, oder es wird eine Regionalschule als Tagesschule außerhalb des Kibbuz besucht. Eine solche Regionalschule wird jeweils von mehreren benachbarten Kibbuzim betrieben. Im Arzi-Verband werden die SchülerInnen oft in ein ebenfalls von mehreren Kibbuzim getragenes Internat (Mosad) geschickt. Diese Internate sind bemüht, die Organisation eines Kibbuz im kleinen möglichst realistisch nachzustellen (Schulfarm), um die SchülerInnen so zu eigenverantwortlichem Handeln zu erziehen.

12 Schuljahre sind für Kibbuzkinder faktisch obligatorisch. Die Schule wird weit überdurchschnittlich oft mit der Hochschulreife abgeschlossen.

Mit dem 18. Lebensjahr werden die Frauen für zwei Jahre und die Männer für drei Jahre zur Armee eingezogen. Erst anschließend kann die Mitgliedschaft im Kibbuz erworben werden. Der Kibbuz ist allerdings davon abhängig, daß die Entscheidung, Mitglied zu werden, absolut freiwillig ist und mit allen Alternativen des Lebens außerhalb abgewogen ist. Deshalb drängt der Kibbuz darauf, daß vor einer Mitgliedschaft die bürgerlich-kapitalistische Welt kennengelernt wurde. Teilweise wird deshalb nach der Armeezeit sogar ein längerer Auslandsaufenthalt finanziert.

Der Anteil der Kibbuzmitglieder, die eine universitäre Ausbildung anstreben, ist überdurchschnittlich groß. Der Kibbuz bemüht sich, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Dies stellt eine erhebliche finanzielle Belastung dar, ein Universitätsstudium in Israel kostet Studiengebühren. Die Entscheidung, wieviel Kibbuzmitglieder gleichzeitig studieren dürfen, obliegt der Vollversammlung des Kibbuz.

Kurz erwähnt sei hier, daß in der Kibbuzbewegung auch die Erwachsenenbildung eine erhebliche Rolle spielt, die Kibbuzim betreiben selbst entsprechende Bildungseinrichtungen. Dies ist nötig, weil ein Kibbuznik seinen Arbeitsplatz in aller Regel nicht lebenslang behält, sondern ihn entsprechend seiner Ansprüche wechseln sollte.

Kindergruppe und Familie

Für die Kibbuzkinder gibt es zwei „emotionale Zentren“: Das Kinderhaus mit der Metapelet und die Eltern. Gesundheit, Hygiene, Mahlzeiten, Kleidung etc. liegen im Aufgabenbereich der Metapelet. Das Kinderhaus sorgt für Sozialisationsaufgaben wie Reinlichkeitserziehung, Sexualerziehung und die Vermittlung sozialer Verhaltensweisen wie Teilen und Abgeben.

Damit wird systematisch versucht, aus der Eltern-Kind-, insbesondere der Mutter-Kind-Beziehung alle belastenden und zu Konflikten führenden Aufgaben auszublenden. Den Kindern sollen möglichst weitgehend positive Gefühle, Liebe und Zuwendung, entgegengebracht werden. Negative Einflüsse sollen dagegen reduziert werden. So sei eine möglichst egalitäre Erziehung in den Kinderhäusern zu erreichen, ohne daß es den Kindern an Vernachlässigung und Liebe fehle.

Dem Zusammenkommen zwischen Eltern und Kindern wird eine zentrale Rolle im täglichen Zeitablauf am Nachmittag (etwa zwei Stunden) bzw. wöchentlich am Samstag zugewiesen. Befreit von Haushaltstätigkeiten können sich die Eltern so intensiv mit ihren Kindern auseinandersetzen. Insbesondere die Väter nehmen so eine deutlich aktivere und engagiertere Rolle ein, als dies außerhalb der Kibbuzim üblich ist.

„Alles spricht dafür, daß die Eltern diejenigen Bezugspersonen sind, mit welchen die Kinder die dauerhaftesten und positivsten Gefühle verbinden.“ (Liegle) In den Familienstunden erführen die Kinder die vergleichsweise geringsten Einschränkungen ihrer Bedürfnisse und die geringsten Leistungsanforderungen.

Die Erziehung in den Kinderhäusern erfolgt grundsätzlich koedukativ, bereits seit den Gründungsjahren. Mädchen und Jungen schlafen in denselben Zimmern, bis die Mädchen – ab in der Regel frühestens acht Jahren – unter sich bleiben wollen.

Die Übernachtung der Kinder und die Frauenrolle

Die Übernachtung der Kinder in den Kinderhäusern gehört in vielen Kibbuzim inzwischen der Vergangenheit an. Die in den 70er Jahren vehement geführte Diskussion über die Übernachtungsfrage hat inzwischen dazu geführt, daß im Takam-Verband die Familienübernachtung durch die Kibbuzversammlungen fast überall beschlossen wurde, während im Arzi-Verband diese Entwicklung noch nicht soweit vorangeschritten ist. Vor allem die jüngere Kibbuz-Generation, Frauen sowie Personen, die durch Heirat Kibbuzmitglieder wurden, haben diese Wende betrieben.

Trotz damit verbundenen Abstrichen an theoretischen Ansprüchen war damit nicht die Aufgabe der eigenständigen Jugendsozialisation verbunden. Tagsüber lebt das Kind immer noch weitgehend in seiner Kindergruppe und ab etwa zwölf Jahren erhalten die Jugendlichen eine eigene Unterkunft völlig unabhängig von den Eltern.

Die Kosten der Familienübernachtung – es mußten Wohnungen mit Kinderzimmern gebaut werden – haben die Entwicklung zwar zuerst gebremst, beschleunigten dann aber oft die schlechte wirtschaftlichen Situation vieler Kibbuzim.

In gesellschaftlicher Hinsicht ging der Entwicklung hin zur Familie zu Lasten der Frau, „und zweifellos verringert sie den emanzipatorischen Vorsprung der Kibbuzfrauen gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen draußen.“ (Busch-Lüty)

Bei der Einführung der Familienübernachtung ging es letztendlich nicht um die Frage der Qualität der Kindererziehung. Die Übernachtung im Kinderhaus hat keinerlei negative Folgen für die Kinder. Sondern es geht um einen generellen Trend der Kibbuzniks hin zur Familie, also um die Bedürfnisse der Eltern. Die Ehe ist heute weitestgehend Regelfall des Zusammenlebens im Kibbuz. Grund dafür ist, daß sie kaum negative Folgen für die Verheirateten hat, insbesondere die wirtschaftliche Unabhängigkeit beider EhepartnerInnen ist uneingeschränkt gewährleistet.

Maria Fölling-Albers weist darauf hin, daß die „Refamilialisierung“ vor allem durch die Frauen der zweiten und dritten Generation, die im Kibbuz aufgewachsen ist, forciert worden sei. Gleichzeitig sei festzuhalten, daß etwa 80 Prozent der Frauen in typisch weiblichen Arbeitsbereichen, also in der Erziehung, der Küche, der Wäscherei etc. beschäftigt seien. Dies sei zum einen Folge einer Sachzwang-Argumentation. Der Dienstleistungsbereich und insbesondere die Kindererziehung haben in der Kibbuzgeschichte eine ungeheuere Expansion erfahren und die entstandenen Arbeitsplätze mußten besetzt werden. Zum anderen sei die fehlende Egalität zwischen Männern und Frauen, so Fölling-Albers, Folge „impliziter Lehren“, die in der Kibbuzerziehung vermittelt würden. Insbesondere würden die produktiven Arbeitsbereiche im Vergleich zu den reproduktiven als wichtiger vermittelt. Die Diskrepanz zwischen der proklamierten Ideologie der Gleichheit und den faktischen Sozialisationsmechanismen würde den Mädchen die Schaffung positiver und widerspruchsfreier Identifikationsleitbilder erschweren oder unmöglich machen. Die Identifikation mit der Mutter führe zur Übernahme der Diskrepanz zwischen formaler Gleichheit und faktischer Ungleichheit. Ergebnis sei der Rückzug in die Familie, denn dort „konnte die geschlechtsspezifische Rolle schließlich noch am besten gelebt werden“.

Kibbuzkinder sind nicht gleicher

Den „neuen Menschen“ schafft die Kibbuzerziehung nicht. Dies ist das Ergebnis der intensiven Forschung gerade im pädagogischen Bereich der Kibbuzim.

Ohne Zweifel ist die Kibbuzerziehung nicht gescheitert. „Aber besondere Vorteile scheint sie auch nicht gebracht zu haben“, schrieb Dieter E. Zimmer in einem spannenden Zeit-Magazin-Aufsatz. Wesentlich andere Persönlichkeiten bringe sie nicht hervor. Zumindest sei mit den bekannten soziologischen Methoden ein entsprechender Nachweis nicht möglich.

Unterschiede zwischen im Kibbuz Aufgewachsenen und Personen von außerhalb sind nur punktuell und häufig nicht sonderlich signifikant sichtbar. Die dabei festgestellten Unterscheidungen gehen allerdings nicht immer in die gewollte Richtung. „Vor allem ist die Erziehung in der Gruppe keine Garantie dafür, daß man den Mitmenschen ohne Animosiät gegenübersteht.“ (Zimmer)

Einzig ein deutlich höherer Intelligenzquotient sei feststellbar. Was allerdings angesichts der Qualität der Kibbuzschulen kaum erstaunt. Zudem sind die Eltern kein repräsentativer Durchschnitt der Bevölkerung. Faktisch stehen vor einer Aufnahme im Kibbuz hohe Hürden. „Immer noch sieht eine Kibbuz-Versammlung ein wenig so aus, als habe sich ein Fakultätsklub auf die Rinderzucht verlegt.“ (Zimmer)

40 bis 50 Prozent der im Kibbuz Aufgewachsenen verlassen den Kibbuz – das heißt sie werden kein Mitglied ihres Kibbuz. Ein kleinerer Teil von denen geht zu einem anderen Kibbuz oder gründet selbst einen neuen mit anderen jungen Leuten.

Die hohe Abwanderungsquote muß sowohl positiv als auch negativ gesehen werden. Zum einen bedeutet das, daß die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft nicht formal ist, sondern daß es tatsächliche Alternativen zu dieser Mitgliedschaft gibt. Zum anderen heißt das aber, daß es nicht möglich ist, Kinder zum Leben im Kollektiv zu erziehen. Es ist nicht möglich, den neuen Menschen durch Erziehung zu schaffen.

Trotzdem – nach Ausräumung eines solchen völlig überzogenen Anspruchs – bleibt Bildung ein für sozialistische Politik wichtiges Handlungsfeld. Das Modell des Kibbuz – nüchtern betrachtet durchaus erfolgreich – liefert dafür spannende Ansätze. Dabei muß allerdings die Bereitschaft bestehen, die heute in der linken Diskussion kaum noch thematisierte bürgerliche Kleinfamilie in Frage zu stellen.

Obwohl sich der Kibbuz unter den Bedingungen eines Entwicklungslandes bewährt hat, ist sein Bildungs- und Erziehungskonzept auch für Industriestaaten interessant. Denn die Traditionen und theoretischen Grundlagen stammen zu großen Teilen aus dem Vorkriegs-Deutschland.

aus Arbeitshefte: Zeitschrift der Juso-Hochschulgruppen Nr. 93 Juni 1993