TM - ein Kleinstverlag prägt die Spielelandschaft

von Harald Schrapers

1994 war das wichtigste Jahr. Klaus Teuber, der Spieleerfinder, und Reiner Müller, der Spieleredakteur, entscheiden, dass die Siedler von Catan bei Franckh-Kosmos erscheinen sollen. Ihr eigener kleiner Verlag, TM-Spiele GmbH - TM für Teuber/Müller - stand dagegen kurz vor dem Ruin. Rettung versprach nur ein Vertrag mit der Firma Simba Toys. TM sollte als externe Redaktion die Reihe Goldsieber aufbauen.

Begonnen hat die Teuber-Müller-Erfolgsgeschichte schon wesentlich früher. „Ich habe sofort gewusst, dass das ein Spiel des Jahres wird,“ erinnert sich Reiner Müller. Damals war er Spieleredakteur bei ASS und ihm war das Teuber-Spiel Die Rätselmeister vorgestellt worden. Es war ein Spiel mit Knete und trotzdem kein Kinderspiel. Gerade deshalb hatte Müller erhebliche Schwierigkeiten, es bei den ASS-Verantwortlichen durchzusetzen. Letztendlich erschien es doch und unter dem Namen Barbarossa wurde es 1988 Spiel des Jahres.

1990 wurde Klaus Teuber das zweite Mal - Adel verpflichtet - mit dem Kritikerpreis Spiel des Jahres ausgezeichnet. Zwei Jahres später brachte Reiner Müller, der nun für den japanisch-deutschen Verlag Bandai-Huki als freier Mitarbeiter arbeitete, den später mit dem Deutschen Spiele Preis prämierten Fliegenden Holländer heraus. Trotz dieser Erfolge hatte Teuber erhebliche Schwierigkeiten, für sein nächstes Spiel einen Verleger zu finden. Pleitegeier - das spätere Vernissage - wäre zwar von einem großen Verlag in der Reihe „Bestseller-Autoren-Spiele“ veröffentlicht worden, aber nur unter der Bedingung, dass die Gestaltung von einer Agentur vorgenommen würde. Klaus Teuber war damit nicht einverstanden, da er das Spiel ohne weiteres Mitspracherecht hätte aus der Hand geben müssen.

Bandai hatte seine Spielelinie zu diesem Zeitpunkt bereits an Parker verkauft, womit diese Autorenspielereihe eingestellt wurde. Reiner Müller machte Klaus Teuber deshalb den Vorschlag, einen eigenen Verlag zu gründen: TM-Spiele. Teuber stimmte dieser Idee zu und sprach zudem auch noch Peter Neugebauer und Wolfgang Lüdtke auf die Verlagsgründung an. „Wenn man zu viert ist, hat man mehr Ideen und kann besser zusammen spielen.“

Den Spielekritiker Neugebauer hatte Teuber in den 80er Jahren auf einem Göttinger Autorentreffen kennengelernt. Klaus Teuber war mit seinem Spieleerstling, einem Prototyp des schon erwähnten Rätselmeisters, aus Hessen angereist und niemand habe sich für dieses Spiel interessiert, erinnert sich Neugebauer. Er habe sich als Einziger zu ihm gesetzt und sei von dem Spiel begeistert gewesen. Teuber habe ihm daraufhin gegen Erstattung der Materialkosten ein Rätselmeister-Exemplar gebastelt. Später erhielt Neugebauer regelmäßig Prototypen von Klaus Teuber, mit der Bitte, diese zu testen.

Wolfgang Lüdtke hatte Neugebauer, beide wohnen im Ruhrgebiet, durch eine Anzeige in der Pöppel-Revue kennengelernt. Nachdem er Neugebauers Rätselmeister-Exemplar bereits gespielt hatte, traf er Teuber auf dem folgenden Autorentreffen in Göttingen dann das erste Mal persönlich.

Insbesondere Neugebauer, der als Lehrer keinerlei Ambitionen hatte (und hat), sich beruflich in der Spielebranche zu engagieren, zögerte, in die TM-Spiele GmbH einzusteigen. Zwar fand er es durchaus interessant, auch bei der Spieleentwicklung dabeizusein. In erster Linie wollte er jedoch weiterhin als Kritiker über Spiele schreiben und unabhängig bleiben. Letztlich hat er das Angebot seines Freundes Klaus Teuber dann aber doch nicht ausgeschlagen und beteiligte sich an dem durchaus riskanten Unternehmen. Während Neugebauer bei TM bis heute eher im Hintergrund agiert und sich somit weitestgehend seine Unabhängigkeit als Spielekritiker bewahren konnte, hörte Lüdtke mit seiner Kritikertätigkeit auf, nachdem er beruflich bei TM eingestiegen war.

Der TM-Erstling Vernissage, ein für die damalige Zeit überdurchschnittlich komplexes Brettspiel, wurde von der Spiel des Jahres-Jury leider nicht zu Kenntnis genommen. Beim Deutschen Spiele Preis reichte es 1993 jedoch für einen dritten Platz.

Im Folgejahr brachte TM das Wolfgang Panning-Spiel Knock out auf den Markt. „Leider waren wir nicht mutig genug. Wir haben nicht so sehr ins Spiel eingegriffen, wie wir es heute machen würden“, bedauert Lüdtke einige Schwächen im Spielablauf und den Versuch, das Boxthema ironisierend zu kaschieren. Zwar reichte es für den achten Platz beim Deutschen Spiele Preis, doch ökonomisch war das Spiel ein „totaler Flop“. Nach nur zwei Jahren stand der Verlag vor dem finanziellen Aus. Während die 5000der-Auflage von Vernissage zu etwa 90 Prozent verkauft war, lag Knock out wie Blei in den Regalen. Tom Schoeps’ Sternenhimmel war als drittes TM-Spiel bereits in Vorbereitung, doch an eine Produktion war nicht zu denken. Das Geld war alle.

Die rettende Idee hatte der Nürnberger Fritz Gruber. Der war mit der Branche durch die Pressearbeit für verschiedene Spielwaren-Unternehmen verbunden, früher unter anderem auch mit Bandai-Huki. Gruber betreute zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeitsarbeit von Simba Toys. Gesellschaftsspiele produzierte diese Firma nicht. Gruber schlug ihnen deshalb vor, eine programmergänzenden Spieleline zu entwickeln und stieß dabei auf offene Ohren. Da Simba keinerlei Know-how auf diesem Gebiet besaß, empfahl Gruber, TM mit der Entwicklung dieser Spielereihe zu beauftragen.

Die Verhandlungen zwischen Simba und TM gestalteten sich jedoch nicht ganz reibungslos. Simba wollte weg von seinem Image als billiger Massenproduzent und dachte daran, exklusive Spiele aus teuren Materialien produzieren. Von dieser Idee ließ Simba sich dann jedoch abbringen und TM erhielt den Auftrag, zunächst vier Brettspiele für die Reihe mit dem Namen Goldsieber zu entwickeln.

Inzwischen war die Zeit bis zur Nürnberger Spielwarenmesse bereits rechts knapp geworden. Sternenhimmel war schon fertig, Klaus Teuber konnte Galopp Royal beisteuern und durch einen Anruf bei Stefan Dorra erhielt man Linie 1. Nur das vierte Spiel fehlte noch. Da mussten sich die vier TMler und Fritz Gruber, der später fünfter TM-Teilhaber wurde, selbst dransetzen und - aus mehr oder weniger bekannten Elementen - ein eigenes Spiel konstruieren. Bakschisch hieß das gar nicht so schlechte Ergebnis, ein Versteigerungsspiel, das unter dem „Autorenpseudonym“ Kara Ben Hering erschien.

Das Goldsieber-Programm ist in der Spieleszene mit Begeisterung aufgenommen worden, während andere großen Verlagen unterstellt wurde, sich aus dem Geschäft mit dem Autorenbrettspiel nach und nach zurückziehen so wollen. Linie 1 und Galopp Royal gelangten 1995 auf die Spiel des Jahres-Auswahlliste, Linie 1 und Sternenhimmel schafften es auf Platz zwei und drei des Deutschen Spiele Preises. Mehr war nicht drin, denn die Siedler von Catan räumten in diesem Jahr ab.

Goldsieber und die Siedler von Catan hatten sich um zwei Wochen verpasst. Als das verbindliche Kooperationsangebot von Simba endlich vorlag, hatten Reiner Müller, der als Spieleredakteur bei Franckh-Kosmos arbeitete, und Klaus Teuber bereits entschieden, dass die Siedler in der Franckh-Spiele-galerie erscheinen sollen. Denn selbst für die Siedler war es nicht einfach, einen Verlag zu finden. Zwei Häuser hatten das Spiel abgelehnt oder verlangten erhebliche thematische Änderungen.

Eigentlich war das eine „glückliche Fügung“, sagt Wolfgang Lüdtke. Denn besser als bei Kosmos hätten die Siedler in einem anderen Verlag wohl kaum laufen können, auch nicht bei Goldsieber.

Das Goldsieber-Erstlingsprogramm ist vom Erfolg der Linie 1 getragen worden. Im zweiten Jahr wurde die Goldsieber-Reihe ausgeweitet. Obwohl Entdecker nicht auf der Auswahlliste stand - es gab aber immerhin einen zweiten Platz beim Deutschen Spiele Preis - wurde es der Bestseller des Programms. Die Spiel des Jahres-Jury konnte sich aber immerhin dazu durchringen, für Carabande einen „Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel“ zu stiften. Außerdem trug Klaus Teuber mit dem Kinderspiel Hallo Dachs, genauso wie im Folgejahr mit die Ritter von der Haselnuss, zum Erfolg bei.

Im dritten Jahr wurde Mississippi Queen mit dem goldumkränzten Pöppel der Spiel des Jahres-Jury geschmückt und Löwenherz konnte sich über den Deutschen Spiele Preis freuen. Hinzu kam der Verkaufserfolg der Kleinen Fische und von Manitou, zwei Titel der neu entwickelten Kartenspiellinie.

Damit war die Goldsieber-Geschichte für TM erfolgreich zum Abschluss gebracht worden. Das Programm war immer aufwändiger geworden und es wurde immer schwieriger, Goldsieber und Kosmos parallel zu betreiben. Zwar arbeitete TM nicht direkt mit Kosmos zusammen, aber die TMler als Einzelpersonen durchaus: Reiner Müller war Spieleredakteur bei Kosmos, Klaus Teuber war der Autor der Siedler-Spiele und die anderen halfen mit den bei der Spieleentwicklung notwendigen Tipps und Hinweisen ebenfalls mehr oder weniger regelmäßig mit. Da bot es sich an, alle TM-Aktivitäten bei Kosmos zu bündeln.

Bis zu den Siedlern spielte die Franckh-Spiele-Galerie im Hause Kosmos keinerlei größere Rolle. Die Spiele waren immer sehr exklusiv in der Aufmachung, Kunststoffe waren verboten und der Preis war recht hoch - Profit konnte mit diesem Konzept nicht gemacht werden. Wahrscheinlich wäre die Reihe früher oder später eingestellt worden. Erst der Erfolg der Siedler brachte die Wende, ab jetzt stand Kosmos auf den Schachteln und der Traditionsname Franckh verschwand.

Mit dem Einstieg von TM bei Kosmos war die Beschaulichkeit endgültig dahin. Nun wurde ein vollständiges Spieleprogramm erstellt. Es mussten - im Gegensatz zu Goldsieber - zudem auch noch Herbstneuheiten entwickelt werden, da Kosmos traditionell auch in dieser Jahreszeit präsent sein wollte. Deshalb hatte TM bis zur Essener Spielemesse nicht nur ein Brettspiel zu erstellen, sondern kurzfristig stand auf der Kosmos-Wunschliste zudem ein Zwei-Personen-Spiel, das an das Siedler-Kartenspiel und dessen riesigen Erfolg anknüpfen sollte. Wolfgang Lüdtke hatte glücklicherweise noch einen Prototypen des Risk Card Games in der Schublade liegen, das er einstmals Parker angeboten hatte. Parker war jedoch der Meinung, dass ein reines Zwei-Personen-Spiel bei ihnen nicht ins Programm passen würde. TM blieb nun die Aufgabe, das Thema des Risiko-Kartenspiels zu verändern, da Kosmos festgestellt hatte, dass das Siedler-Kartenspiel überdurchschnittlich häufig von Frauen gekauft und gespielt wurde. So wurden aus Kontinenten Patrizier, und Armeen wandelten sich zu römischen und ägyptischen Einflusskarten. Caesar & Cleopatra wurde von dieser Zeitschrift als bestes Kartenspiel des Jahres 1998 ausgezeichnet, und mittlerweile wurden mehr als 150.000 Exemplare verkauft.

TM ist seit Mitte 1997 exklusiv an Kosmos gebunden. Zu Goldsieber-Zeiten war diese exklusive Bindung nicht vereinbart. Damals entwickelte TM auch noch eine Spielereihe für einen Jugend-Sachbuchverlag, von der allerdings nur ein Spiel erschienen war.

Auch Klaus Teuber hat - was ein Novum in der Branche ist - einen Exklusivvertrag über seine Autorentätigkeit mit Kosmos abgeschlossen. Reiner Müller ist als TM-Geschäftsführer mit Sitz in Stuttgart für alle Catan-Spiele zuständig. Wolfgang Lüdtke steigt als zweiter Geschäftsführer voll ein und ist für alle Nicht-Catan-Titel zuständig. Und Fritz Gruber ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Hauses Kosmos zuständig.

„Outsourcing“ nennt man das Konzept, das Kosmos dabei verfolgt. Denn selbst sehr große Verlage können sich maximal ein bis zwei Spieleredakteure festangestellt - mit allen daraus resultierenden Nebenkosten - leisten. Durch die komplette Auslagerung der redaktionellen Tätigkeit in die TM-Spiele GmbH erschließt sich Kosmos dagegen das kreative Potential von fünf Personen. Reiner Müller lobt die größere Selbstständigkeit, die ihm dieses Modell einräume und dass ihm der alltägliche „Kleinkrieg im Unternehmen“ erspart bliebe.

Doch bald musste Kosmos einen Teil der Tätigkeit wieder zurück ins eigene Haus holen. Nachdem die Marke Klee erworben wurde, war TM mit der Entwicklung von 18 Spielen innerhalb eines Jahres beschäftigt. Das war zuviel. Kosmos stellte daraufhin die Produktmanagerin Bärbel Schmidts, die zuvor bei Schmidt und Ravensburger gearbeitet hat, im eigenen Haus ein. Bei ihr liegt nun die Verantwortung für den größten Teil der Klee-Kinderspiele und einige Kosmos-Titel wie dem Blaumilchkanal und das in diesem Herbst erscheinende Herr der Ringe-Spiel.

Die von TM entwickelten Kosmos-Spiele landeten mehrfach auf der Auswahlliste, Giganten wurde sogar mit einer Spiel des Jahres-Nominierung ausgezeichnet. Ein besonderer Erfolg ist die Reihe der Zwei-Personen-Spiele. Bei klassischen Zwei-Personen-Titeln spielt Schwarz gegen Weiß, das Glück hat keinen Platz und es gewinnt der Bessere - welcher langfristig immer der Selbe ist. Die Kosmos-Spiele sind dagegen thematisch eingebettet und das Glück spielt immer eine Rolle. So gewinnt mal der Bessere und mal der Glücklichere - das vermeidet Frust. Im Herbst erscheinen deshalb direkt die nächsten zwei Titel in der kleinen quadratischen Schachtel: ein einfaches Spiel von Rudi Hoffmann und ein komplexeres von Uwe Rosenberg und Hagen Dorgathen.

Ansonsten bleiben die Siedler- bzw. die Catan-Titel der Selbstläufer des Kosmos-Programms. „Um Spiele zu machen, muss man Geld verdienen“, sagt Fritz Gruber. So könne auch manches Risiko und mancher Flop im Programm ausgeglichen werden. „Und wir haben noch nie etwas gemacht, was die Siedler-Spieler nicht mögen.“ Im Herbst soll nun das lange versprochene Siedler-Buch, das auf der Grundlage vieler Szenarien-Einsendungen mit erheblichem Arbeitsaufwand zusammengestellt werde, endlich herauskommen können. Es werde zusammen mit dem für die Szenarien zusätzlich benötigtem Spielmaterial erscheinen, so dass es eine Ähnlichkeit mit der Seefahrer-Erweiterung habe.

Inzwischen sind auch drei neue Spiele unter dem zuvor fast vergessenen Label TM erschienen: Minister, Krieg und Frieden sowie Der weiße Lotus. „Als TM-Spiel erscheint nur, was die TMler gerne spielen“, erläutert Lüdtke, der gerade ein erstes eigenes TM-Redaktionsbüro in Duisburg bezieht, das Prinzip dieser Spielelinie. Trotzdem sind die bislang erschienenen Spiele keine Erfolgsstory. Minister ist ein einfaches Spiel, das Remake einer Mensch ärgere dich nicht-Variante. Minister schaffte es immerhin auf die Auswahlliste, das weit anspruchsvollere und überzeugendere Krieg und Frieden scheiterte dagegen an einem Missverständnis. „Darf man ein Spiel mit solch einem Titel, einem ausgesprochen kämpferischen Inhalt und einem aggressiven, emotionsgeladenen Ablauf als spannende Unterhaltung empfehlen?“, fragte eines der Jury-Mitglieder in einem umstrittenen Zeitungsartikel.

Im nächsten Jahr wird nach Der weiße Lotus ein zweites Spiel von Martin Wallace erscheinen. Wir werden sehen, ob mit diesem Eisenbahnspiel dann im Jahr 2001 die TM-Spielelinie ein Profil erlangen kann, das die zweifelsohne hohen Erwartungen an die fünf TMler erfüllen kann.

aus der Fairplay 3/2000