Hans im Glück - oder: Bernd in Carcassonne

von Harald Schrapers

1983 startete Hans im Glück mit 150 Exemplaren des Spiels Dodge City. 2001 erhält mit Carcassonne zum vierten Mal ein Hans im Glück-Spiel den Titel „Spiel des Jahres“ und wird damit mühelos in sechsstelliger Auflage verkauft werden. Ohne die „Spiel des Jahres“-Auszeichnungen würde Hans im Glück in dieser Form heute wohl nicht existieren. Die hohen Verkaufszahlen der prämierten Spiele haben für die ökonomische Basis einer einmaligen verlegerischen Tätigkeit gesorgt, die mit einem Namen verbunden ist: Bernd Brunnhofer.

Doch gegründet wurde Hans im Glück noch von einer zweiten Person: Karl-Heinz Schmiel. Brunnhofer und Schmiel stellten ihren Erstling Dodge City als „Garagenproduktion“ selbst her und zeichneten auch als Autoren verantwortlich. Allerdings entsprang das Spiel gar nicht ihrer alleinigen Autorenschaft, sondern war das ein Ergebnis intensiver redaktionellen Arbeit. Denn die Idee zu Dodge City stammte aus einem anderen Spiel: Der Pate. Dessen Spielschachtel hatte die auffällige Form eines Geigenkastens, auf dem eine Maschinenpistole prangte. „Wir haben das Spiel soweit umgearbeitet, dass wir es guten Gewissens als eigenes Spiel bezeichnen konnten“, sagt Bernd Brunnhofer. Denn der Autor von Der Pate, einem Spiel mit Go-Charakter, ist bis heute unbekannt. Auch die Lieferadresse des Spiels, das sie damals in einer Kaufhauskette erworben hatten, war nicht identifizierbar.

Letztlich wurden von Dodge City knapp 1000 Stück im Siebdruckverfahren hergestellt. 1984 produzierte der Münchener Zwei-Personen-Verlag Tiere im Wald von Andreas Trieb. Bernd Brunnhofers Greyhounds bedeutete 1985 dann schon eine Auflagenverdoppelung: An die 2000 Stück dieses mit einer Nominierung für das Spiel des Jahres ausgezeichneten Spiels wurden hergestellt. 1986 folgte unter anderem Die Macher, ein Spiel von Karl-Heinz Schmiel - was gleichzeitig dessen Abschied von Hans im Glück einläutete.

1987 passierten zwei Dinge. Roland Siegers von Mattel wollte die Lizenz zweier Spiele erwerben, womit erstmals eine größere Menge Geld in die Hans im Glück-Kasse fließen sollte. Und Bernd Brunnhofer wollte Hans im Glück, das bislang eine Hobbybeschäftigung zweier Spielenarren war, zu seinem „Full-Time-Job“ ausbauen. Der in Österreich geborene Brunnhofer war als Soziologiedozent an der TU München angestellt. Chancen auf eine Daueranstellung hätte er jedoch nur gehabt, wenn er promoviert hätte. „Dazu verspürte ich nur mäßig Lust.“ So seien die Gründe für die Trennung zwischen ihm und Karl-Heinz Schmiel, der als Pädagoge arbeitete, „ganz simpel“ gewesen. „Ich hatte meinen Beruf an den Nagel gehängt. Und Karl-Heinz Schmiel wollte seinen Beruf nicht aufgeben.“ Schmiel gründete seinen eigenen Verlag - Moskito. In den folgenden zehn Jahren erschienen immerhin neun Moskito-Spiele unter seinem Namen, die der nach Feierabend produziert hatte.

Dass Brunnhofer und Schmiel ihre Kontakte nicht auf Dauer abgebrochen hatten, wurde 1997 deutlich. Hans im Glück produzierte eine überarbeitete Neuauflage von Schmiels Die Macher und druckte sogar das Moskito-Logo groß auf die Schachtel. 2000 brachte Karl-Heinz Schmiel, der auch als Spieletester an mancher Hans im Glück-Neuerscheinung ein klein wenig mit beteiligt ist, sein Attila bei Hans im Glück heraus.

Seit 1987 ist Bernd Brunnhofer auf sich allein gestellt. „Ich habe es als Herausforderung gesucht“, beschreibt er heute seine damalige Motivation. „Und die Spiele kamen gut an.“ Die Arbeit als Redakteur, der die Spiele bearbeitet, habe ihm gelegen. Dagegen habe er seine Stärken nicht so sehr in der Arbeit des Spieleautors gesehen. „Dazu bin ich zu ungeduldig.“

Die Hans im Glück-Spiele Greyhounds und Rock Island erschienen 1988 bei Mattel, letzteres unter dem Namen Zug nach Westen. Das Geld, das Hans im Glück für die Lizenzvergabe erhalten hat, wurde dringend gebraucht, um Neuheiten produzieren zu können. Wirtschaftlich sei Hans im Glück ein „Ritt auf des Messers Schneide“ gewesen.

1989 erschien Maestro, „das erste Spiel, das sich zufriedenstellend verkauft hat.“ Produziert wurde ein fünfstellige Auflage. Die Einnahmen seien erstmals nicht sofort wieder reinvestiert worden. Das Spiel von Rudi Hoffmann hatte einen Platz auf der Auswahlliste gefunden und war mit dem Goldenen Pöppel, dem Vorgänger des Deutschen Spiele Preises, ausgezeichnet worden. Maestro sei eine „drei-Viertel-professionelle“ Produktion gewesen, vergleicht Brunnhofer das Spiel mit seinen heutigen Qualitätsmaßstäben. Auch das im Folgejahr produzierte 1835 hat es auf eine fünfstellige Stückzahl gebracht, die allerdings erst nach einer wesentlich längeren Zeit erreicht wurde.

1991 war das ganz große Glücksjahr in der Hans im Glück-Geschichte. Klaus Teubers Drunter und drüber wurde „Spiel des Jahres“. Ungefähr 300.000 Exemplare wurde allein im ersten Jahr verkauft, das war etwa das zehnfache der bis dato üblichen Startauflage.

Drunter und drüber und die Entscheidung der „Spiel des Jahres“-Jury sorgten dafür, dass Hans im Glück eine langfristige wirtschaftliche Basis erhielt. Brunnhofer konnte mit Volker Weitzel (der mittlerweile durch Dirk Geilenkeuser abgelöst wurde) einen Mitarbeiter einstellen, der ihn in der alltäglichen Arbeit entlastete. Außerdem musste der Vertrieb, den es im eigentlichen Sinne gar nicht gab - „wer angerufen hat, hat seine Spiele gekriegt“ - professionalisiert werden. Brunnhofer wählte die Berliner Firma Fun Connection als Vertriebspartner. Fun Connection war auf dem Markt insbesondere durch den deutschen Vertrieb des französischen Spiels Abalone etabliert.

Doch lange hielt die Vertriebsehe nicht. Zehn Tage vor den Essener Spieltagen 1993 teilte Fun Connection mit, seinen gesamten Lagerbestand zu Niedrigstpreisen ausverkaufen zu wollen. Fun Connection war in finanzielle Schwierigkeiten geraten und brauchte dringend liquide Mittel. Brunnhofer protestierte dagegen, dass diese Dumping-Preis-Aktion auf seinem Rücken ausgetragen wurde. Doch genützt hat das nichts, und er kündigte umgehend seinen Vertrag mit Fun Connection.

Neuer Vertriebspartner wurde der Berliner Blatz-Verlag, der mittlerweile unter dem hinzugekauften Label Schmidt Spiele bekannt ist. Das Outsourcing betraf dann auch die PR-Arbeit, die von der Agentur Publipress sowohl für Schmidt Spiele als auch für Hans im Glück geleistet wird. Die Fertigung der Spiele findet - seit den längst vergangenen Siebdruck-Jahren - eh außer Haus statt.

1994 und 1996 konnte Hans im Glück mit Manhattan und El Grande abermals den „Spiel des Jahres“-Pöppel in Empfang nehmen. Dies bedeutete jedes mal, dass sich etwa 300.000 Spiele quasi ohne weiteres Zutun innerhalb eines Jahres verkaufen ließen. Damit konnte sich Hans im Glück leisten, immer wieder auch Spiele aufzulegen, von denen sich herausstellte, dass sie im Verkauf ein Misserfolg sind.

Aus zwei- bis dreihundert an Hans im Glück geschickten Prototypen muss jährlich ausgewählt werden. Das geschieht, wenn Prototypen Brunnhofers ersten Qualitätscheck überstanden haben, in der Praxis von Spielerunden. Langjähriger Weggefährte von Bernd Brunnhofer ist dabei der Münchener Richter Dieter Hornung, der regelmäßig zu einem Spielekreis einlädt.

Bei der Entscheidung, welche Spiele erscheinen, trägt Brunnhofer immer die letztliche Verantwortung selbst. Eine Prognose, welche Spiele sich dabei am Markt durchsetzten, kann er aber auch nach vielen Jahren Erfahrung noch nicht abgeben. „Man hat nichts Greifbares in der Hand.“ Nur hinterher sei man immer schlauer. „Im Nachhinein kann ich immer viele Gründe nennen, warum ein Spiel ein Erfolg wurde.“

Ein Beispiel für die Unwägbarkeiten des Spielemarkts ist die 1999 etablierte Kartenspielreihe. Die ersten vier Titel waren ein Verkaufs-Flop. Das fünfte Spiel war dagegen ein Riesen-Hit: Ohne Furcht und Adel. Bernd Brunnhofer bestreitet deshalb auch, dass man beispielsweise durch eine professionellere Entwicklung von Schachtelgrößen und Spielereihen einen größeren Erfolg hätte.

Neben den „Spiel des Jahres“-Bestsellern findet Brunnhofer Spiele wie Modern Art oder Euphrat und Tigris „fast genauso wichtig“ für seinen Verlag. Solche Titel, die beide mit dem Deutschen Spiele Preis ausgezeichnet wurden, würden zwar nur 10- bis 20.000-mal verkauft, sie seien aber ein wichtiger „Imageerfolg“. „Wir sind sehr stark auf die Spieleszene angewiesen.“ So ist auch im Jahr 2001 nicht nur das „Spiel des Jahres“ wichtig für Hans im Glück, sondern auch die hohe Anerkennung, die Carcassonne und Medina in der Szene und beim Deutschen Spiele Preis gefunden haben.

Die Frage, ob Hans im Glück Expansionspläne habe und irgendwann ein großer Verlag werden möchte, verneint Bernd Brunnhofer. „Wozu?“ lautet seine Gegenfrage. Brunnhofer bleibt dem einzigen Ziel seines am Rande des Münchener Olympiageländes gelegenen Kleinverlags treu: „Einfach nur gute Spiele machen“.

aus der Fairplay 4/2001